Badeanstalt am Großkühnauer See
Ein traditionsreicher Ort mit interessanter Geschichte
Badestelle und Sommerfrische – Beliebtes Familienfreibad und favorisierter Bauhäuslertreffpunkt – USA-Bürger entwirft für Badeanstalt einen Bau der Moderne – FKK-Bad und Freizeitort – Bademeister lehren hier Generationen das Schwimmen – Chorsingen und Sommernachtsbälle in reizvoller Auenlandschaft – Kunst- und Musenwinkel für Dessauer Maler
Wenn im Großen Ratssaal über die Zukunft der Großkühnauer Badeanstalt diskutiert wird, ist es zur Entscheidungsfindung für die gewählten Stadtverordneten sicherlich hilfreich, noch einmal dezidiert auf die geschichtliche Bedeutung dieses im Nordwesten von Dessau gelegenen Freibades hinzuweisen.
Mit Beginn der Badesaison 1930 eröffnete die Stadt Dessau in dem seit 1923 eingemeindeten und ältesten Teil der Stadt, Großkühnau, welches am 1. Mai 945 erstmals urkundlich erwähnt wurde, ein neues Strandbad. Malerisch am Ufer des Kühnauer Sees gelegen, eröffnet sich der Blick auf Dorf, Schloss und Kirche, der sich in Sichtbeziehung zum Westteil des historischen DessauWörlitzer Gartenreichs weitet. Ein ausgesprochen reizvolles Idyll, wenn sich des Sommers der See mit weißen und gelben Seerosen schmückt und die schönen Exemplare der Sumpfzypressen vom gegenüberliegenden Ufer grüßen.
Nicht von ungefähr wählte man hier den Standort für die Badeanstalt, gab es doch am gleichen Platz eine, wenn auch einfache Badestelle, deren Anfänge bis zum Jahr 1896 zurückreichen, denn Großkühnau war schon immer eine beliebte Sommerfrische der Dessauer Bürger.
Die Bevölkerung nahm die neue Kühnauer Badeanstalt begeistert auf. Auch die Bauhäusler besaßen eine besondere Beziehung zum Kühnauer See. Als das Bauhaus von Weimar nach Dessau kam, ab 1925, fanden auch sie Entspannung, Erholung und künstlerische Anregung in dieser von den Flüssen Elbe und Mulde geprägten Kulturlandschaft. Sehr beliebt waren die am See jährlich veranstalteten Sonnenwendfeiern. Bauhausdirektor Ludwig Mies van der Rohe vergab in seiner Amtszeit Entwurfsarbeiten an Studenten für die Erweiterung der Badeanstalt. Diese Studienarbeiten standen im Zusammenhang mit dem Projekt der Architekturabteilung des Bauhauses für ein großes Siedlungsvorhaben, das für Arbeiter- und Angestellte der Dessauer Junkerswerke zwischen den Stadtteilen Groß- und Kleinkühnau, Ziebigk und Siedlung vorgesehen war.
Im Frühjahr 1932 legte der amerikanische Bauhausstudent Howard Dearstyne seinen Entwurf für eine Badeanstalt am Kühnauer See vor. Eine Diplomarbeit, wofür er am 11. Juli 1932 das Bauhausdiplom Nr. 76 von Mies van der Rohe erhielt. Sein Plan sah einen modernen Bau vor, der hochwasserfrei konzipiert, sich optimal in die Landschaft einfügte und ein scheinbar inszeniertes Spannungsfeld der Architektur der Moderne mit den Bauten des Gartenreichs (klassizistisches Schloss und erste neoromanische Kirche Deutschlands) geschaffen hätte, ideal mit der räumlichen Trennung durch den See.
Wie sehr sich Ludwig Mies van der Rohe dieser empfindsamen Partie bewusst gewesen sein muss, zeigt seine Umsicht bei der Betreuung dieses Projektes. Den Schluss- und auch Höhepunkt für das Vorhaben „Badeanstalt am Kühnauer See“ setzte der Bauhausdirektor jedoch selbst mit seinen Entwürfen für eine neue Stahlrohrliege. Zeitlos und einfach in ihrer Formensprache stellt sie fast alle bis dahin entworfenen Stahlrohrmöbel in den Schatten. Allein 18 Varianten erarbeitete er von dieser „K-Liege“ bis hin zur Patentreife, bestechend in ihrer schlichten ästhetischen Schönheit.
Jedoch keines dieser Vorhaben kam am Kühnauer See zur Ausführung. Mit der Schließung des Bauhauses in Dessau ab Oktober 1932 und der Ausschaltung von Prof. Hugo Junkers aus seinen Werken auf Betreibung der Nationalsozialisten, die seit 1932 im Freistaat Anhalt regierten, erfolgte der Schlussstrich unter eine demokratische Entwicklung und die Verhinderung so manches kreativen Projektes.
Ein Neuanfang nach dem Bombenhagel im Zweiten Weltkrieg, der Neuaufbau Dessaus, die Sehnsucht nach einem Leben in Frieden, fand im gesellschaftlichen Miteinander seinen Ausdruck. Verstärkt nutzten die Bürger der Stadt nun auch wieder Freizeitangebote. Die Großkühnauer Badeanstalt hatte großen Zuspruch. Für geringes Entgelt gab es die Kinderferienlager am See, Sommerfeste, Chortreffen und legendäre Sommernachtsbälle mit Höhenfeuerwerk. Unvergessliche Höhepunkte im damaligen geselligen Leben.
Künstler, wie der Bauhausmaler Carl Marx, der bekannte und beliebte Maler Heinz Rammelt, Landschaftsmaler Paul Schwerdtner, Zeichner, Fotografen und viele andere mehr, schätzten die Idylle am Kühnauer See, ließen sich inspirieren von Flora und Fauna, schöpften für ihre Kunstwerke.
Auch für Sonnenanbeter gerüstet war und ist das Kühnauer Freibad; nicht nur am Textilstrand genießt man Badefreuden, auch für ein FKK-Gelände ist Platz.
Weitgereist im Wohnwagen wissen auch Auswärtige die Vorzüge des Bades zu schätzen, Stellplätze sind vorhanden.
Ein Ort, an dem Mensch, Natur und Umwelt in Harmonie zu einander stehen, der intakt ist (jetzt noch), sollte nicht leichtfertig aufgegeben und allein nur nach Verwaltungskriterien entschieden werden.
Zumal nicht alle in den Süden fahren können…!!!
Autor:
Dipl.-Ing. Helmut Erfurth
Knarrbergweg 67
06844 Dessau-Roßlau
Einige Abbildungen aus meiner Sammlung zur Auswahl:
Abb. 1: Sommerfest an der Badeanstalt am Kühnauer See, Juni 1965
Abb. 2: Bauhaus-Sonnenwendfeier mit Josef Albers, Joost Schmidt, Max Krajewsky, Konrad Püschel u.a. an der Kühnauer Badeanstalt, Juni 1927
Abb. 3: Entwurf der Kühnauer Badeanstalt des Bauhäuslers Howard Dearstyne von 1932